Mein 10. Jahr

Und täglich grüßt das Murmeltier....Auch dieses Jahr 2021 stand ganz im Zeichen Home sweet home und startete - wie sollte es anders sein - mit Homeschooling, yeah!


Schnee is schee

Mein Schneemann Olaf war genau so einsam wie ich und schrie nach einem Kumpel.

Glücklicherweise taute er nicht gleich wieder auf und so blieb an meinen laaaangen Tagen daheim genug Zeit für Mama, den Harry aus Herrn H.s Lied dazu zu bauen.

 

2 Männer im Schnee - no woman no cry!

 


Dann startete ich mein Projekt Iglu und animierte Mama zu Höchstleistungen. Sie schuftete ächzend und stöhnend in unserem Vorgarten, während ich die architektonischen Anweisungen erteilte. "Jetzt habe ich aber genug!" meckerte sie schon bald und knallte mir die Schaufel vor die Füße. "Warum mache ich hier eigentlich allein die ganze Arbeit?"

Liegt das denn nicht auf der Hand? Ich Chef, du nix! Die Pyramiden haben ja schließlich auch nicht die Pharaonen selber gebaut, sondern das niedere Fußvolk für sich schuften lassen.

Sie nahm bitterliche Rache, indem sie mich unter Vortäuschung falscher Tatsachen tief in den Wald lockte! Während ich der Überzeugung war, eine Wolfsfalle zu bauen wie Michel aus Lönneberga, schnappte die Falle zu und ich hing bewegungsunfähig fest.

 

Mama lachte böse und ließ mich einfach in dieser prekären Lage hängen, diese treulose Tomate!

 

Als erprobter Survivalspezialist konnte ich mich durch meine unfassbare Körperbeherrschung natürlich selbst befreien und so trat der Bumerang-Effekt in Kraft, der sich schon bei Hänsel und Gretel abzeichnete: Mama, ich bin wieder zuhause!


Bastelwerk mit Symbolkraft

Ich bekam jede Woche Post aus der Schule mit Aufgaben. Diese Woche sollte ich Meisenknödel backen. Ich überließ den Herstellungsprozess Mama, die mittlerweile so weichgespült war, dass sie sich die Endlosdiskussion mit mir gleich schenkte und ohne Aufbegehren zu rühren anfing. Lediglich im Meisenknödeldesign forderte ich mein Mitbestimmungsrecht!

 

"Findest du es nicht ein bisschen seltsam, wenn in unserem Apfelbaum lauter aufgehängte Männchen baumeln?!" wagt Mama anzumerken. Bevor ich etwas erwidern kann, zuckt sie gleichmütig mit den Schultern und sagt: "Was soll´s, passt gut zu meiner Stimmung. Dann setzen wir mal ein Zeichen der Hoffnung in unserem Vorgarten!"

 

Gewachsene (=mein Neologismus für "Erwachsene") sind manchmal echt seltsame Mitbewohner.

Dafür freute sich dann Mama unbändig über das Zuhause-Socken-Upcycling-Projekt meiner Lehrerin. "Wenn man mit einem Sockenschleuderer im Haus lebt, gibt es nichts Besseres, um den Sack voller Einzelsocken leer zu bekommen als diese Sockenkraken!" sagte sie abends zu Papa. Der sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. An seinem Blick war abzulesen: "SOCKENKRAKEN BASTELN? Wer bitte macht denn sowas und findet darin auch noch Erfüllung?" und obwohl Papa gar nichts gesagt hatte, antwortete Mama: "Eine Mutter, deren letzte Gehirnzelle dank 24 h-Service am Kind verloren gegangen ist!" Damit war alles gesagt!


Staying at Home - Klatsche

Wer allen Ernstes behaupten möchte, er kam ohne Schäden durch die Klolona-Zeit, der hat den Realitätssinn schon längst verloren! Bei mir waren es sogar Schäden, die an Körperverletzung grenzten! Die Frise, die mir Mama mit der Haarschneidemaschine verpasste, bescherte mir einen Deppenpony und kahle Stellen, die mich nach halb gerupfter Weihnachtsgans aussehen ließen!

 

DAS allein war eigentlich schon Grund genug, sich daheim zu verbarrikadieren. Aber bald fragte ich mich, warum ich überhaupt noch aus dem Schlafanzug steigen sollte, war ja eh alles sinnlos. Mama kämpfte um meine Manieren, denn sie wollte keine Familie Flodder zuhause haben, doch sie scheiterte kläglich....


Jedes Kind kann (alleine) schlafen

So stolz war Mama seit meiner Geburt gewesen. "Dieses Kind legt man in sein Bett, dann noch ein Gute-Nacht-Lied und schon macht es den Schnarchemann" pflegte sie zu prahlen. Seit Klolona hörte sich das etwas anders an: "Ich stääääärbe, diese Rückenschmääääärzen und meine Hüfte fühlt sich an wie gebrochen - kein Wunder, wenn dieser 40 kg Braten zwischen uns liegt und mir einen Wasserwall entgegenschiebt!" Pünktlich vor Klolona hatten sich meine Eltern ein Wasserbett zugelegt, das ich wesentlich komfortabler fand als mein Eigenes. Abgesehen davon wollte ich nicht mehr alleine sein - in einer Zeit, wo Mama und ich doch sowieso den ganzen Tag (und jeden Tag) wie siamesische Zwillinge unzertrennlich verbunden waren.

"Es muss sich was ändern" sagte Mama verzweifelt und dann schraubten mir Mama und Papa einen wundervollen Bus zusammen, der oben ein Bett hat. Mama besorgte sogar noch ein gebrauchtes Dachzelt für meinen Campingbus. Dann kam noch ein leuchtender Sternenhimmel dazu. "Die Sterne leuchten wie der Himmel in Afrika!" sagte ich beeindruckt. Ich hatte den ganzen Tag Camping gespielt, doch als es dämmerte, war ich fertig mit Campen. "Ich geh jetzt ins Wasserbett!" sagte ich, klemmte mein Bettzeug unter den Arm und war im Schlafzimmer meiner Eltern verschwunden. Das muss ich meinen Eltern lassen, v.a. meine Mama legte erstaunliche Beharrlichkeit in dem Bestreben an den Tag, mich loszuwerden. Schließlich kapitulierte sie und zog zu mir ins Zimmer. Sie faltete ihre schmerzende Hüfte unten in den Bus und lag da wie in einem Sarg. "Ich bleibe solange, bis du dich alleine in deinem Bus schlafen traust!" versprach sie. Und das Versprechen hielt sie auch. Aus den Tagen wurden Wochen, aus den Wochen Monate - Mama hatte schon längst die Matratze aus dem Bus genommen und sich daneben gelegt, weil so ein Kinderbett doch recht beengt ist. Ich fand das prima, endlich hatte ich einen Kinderzimmerkumpel, der mit mir um 8 ins Bett ging und an den ich mich auf der 90 cm Matratze eng ankuscheln und einschlummern konnte. Für mich lief es perfekt. Never change a running system!

Mama redete sogar mit einer Psychologin, die ihr ganz viel Kraft wünschte, sie sehr bedauerte und ihr aufmunternd mit auf den Weg gab, dass jede Phase mal vorbei geht. Und das ging sie: Als Mama mit einem Hexenschuss nicht mehr von der Matratze am Boden aufstehen konnte, zog sie wieder um ins Wasserbett. Und ich konnte sie doch nicht allein lassen mit ihren Schmerzen - ich zog natürlich mit um. Statt zum Psychologen geht meine Mama nun übrigens zum Osteopathen! Und auf meine Anwesenheit im Wasserbett kann sie immer zählen, ich verlasse sie nicht!


Theater, Theater

Ich schlüpfte in die Rolle des Michel aus Lönneberga, ich war Pippi, Pumuckel oder St.Martin - Hauptsache nicht ich selbst! Denn jeder hatte ein interessanteres Leben als ich. Oft schrieb ich eine Wunschliste mit Märchen, die ich mit meiner Oma über Videoanruf spielen wollte. Mama war dann Kamerafrau, Regisseurin und Akteurin und Oma und sie glänzten in geschlechterübergreifenden Rollen und als multiple Persönlichkeiten. Oma verkörperte zum Beispiel alle 7 Zwerge oder die 7 Geißlein, Kasperl und Seppel und alle sonstigen Statistenrollen in unseren Aufführungen, während ich mich ganz aufs Schurkenthema und die tragenden Rollen konzentrierte: Ich war der Räuber Hotzenplotz, der böse Wolf oder die Hexe!


Oh du, mein Rastazebra. Du bist mein bester Freund!

Ein Leben ohne Freunde ist kein Leben. Ich wurde immer trübsinniger und mein Rastazebra erinnerte mich an unser letztes wirklich tolles Erlebnis vor Klorona: Das Faschingskonzert im K1 in Traunreut mit Rodscha und Tom. Da war die Welt noch in Ordnung, wir konnten ausgelassen feiern und ich konnte mit meiner Oma kuscheln. Sie hat mir als Andenken das Rastazebra gekauft und nun war es tatsächlich mein einziger und bester Freund geworden, den ich überall mit hin schleppte und mit dem ich alles teilte - auch meine Sorgen, das ich vor Langeweile irgendwann tot umfallen könnte.

Meine Handarbeitslehrerin schickte mir die Anleitung für Faschingshüte und Mama bastelte enthusiastisch los. Sie versuchte mich mit ihrem gespielten Elan anzustecken, aber ich konnte mir nur ans Hirn langen: What is it good for? Absolutely nothing! Faschingshüte für eine Party, die nicht stattfinden würde. Wir konnten uns ja abends im Kreis der Familie an den Tisch setzen, mit den lustigen Hüten auf dem Kopf in eine Tröte pusten und Konfetti werfen. Helau, prost Mahlzeit!